Am Beispiel des Rehwildes die Dramatik Rückwärtssuche aufgezeigt

Warum ist eine Rückwärtssuche sinnvoll, wichtig und richtig?

Allein in Deutschland wurden im Jagdjahr 2018/2019 234.860 Stück Schalenwild Opfer des Straßenverkehrs. In dieser Statistik wird das Rehwild mit 202.810 Opfern angeführt. Ein trauriger Rekord. Ebenso Tatsache und Fakt ist: unter letzterem sind nicht nur Böcke, Schmalrehe und Geltgeißen sondern eben auch führende Muttertiere.

Viel zu oft ist der Tod des Muttertieres gleichbedeutend mit dem Tod der dazugehörigen Jungtiere verbunden.


Hund versus Drohne

Die Drohne hat seit geraumer Zeit mit großen Schritten und hervorragender Technik in die wertvolle Arbeit der Kitzrettung Einzug gehalten. Nun wird sicher der eine oder andere sagen: kein Problem. Wir suchen die Jungtiere mit der Drohne.  Was bei der Wiesenmahd so hervorragend funktioniert klappt ja dann auch hier. Sicher? Ganz sicher?

Wie mit einem geeigneten und speziell ausgebildetem Nachsuchenhund komme ich im Idealfall zu einem Kitz, wenn ich das Umfeld mit der Drohne abfliege. Doch kann ich gewährleisten dass dies auch das richtige Kitz ist? Die Freude ist groß, ein Kitz ist gefunden. Aber STOPP: ist dies auch wirklich, zu 100%, das Kitz der Geis die 800m weiter Tod auf der Straße liegt?

Der größte und fatalste Fehler überhaupt wäre nämlich: ich habe einer gesunden Geis, die im Einstand darauf wartet das Ruhe einkehrt, ein absolut fideles und gesundes Kitz genommen. Und das verwaiste und in Not geratene Kitz liegt irgendwo mutterseelen allein und verhungert.


Wie genau funktioniert die Rückwärtssuche

 

Eine Rückwärtssuche ist die Suche vom Unfallort zurück zum abgelegten Jungtier auf der Gesundfährte des Muttertieres.
Kollidiert ein Muttertier mit einem Auto , wird der Hund an genau dieser Stelle angesetzt und sucht am langen Schweißriemen die Fährte des Muttertieres zurück  bis zum abgelegten Jungtier.

Und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt:  auch wenn ein anderes Jungtier 20m neben jener "Gesundfährte" liegt / läge, so würde der firme, speziell ausgebildete Hund dieses nicht anzeigen. Ebenso werden auch weitere Jungtiere (mehrere Kitze) gefunden, selbst wenn sie sich einige Meter vom Ablageort entfernt haben. Jedes Individuum hat einen ganz speziellen Eigengeruch der mit weiteren Partikeln des Muttertieres überzogen ist.

 


Anforderungen an Gespann und Begleiter der Rückwärtssuche

 

Die Anforderungen an ein Rückwärtssuchen Gespann sind hoch. Wer denkt, er könne sich gut gemeint mit seinem Hund, der drei Totsuchen im Jahr bewältigt, auf die Socken machen wird leider sehr schnell merken dass er barfuß unterwegs ist und nicht weit kommen wird.  Die Grundvoraussetzung für solche Arbeiten sind absolut, zwingend, fährtentreue Hunde mit enormer Ausdauer und enormen Fährtenwillen. Es werden Hunde benötigt die ihren Willen und ihre Ausdauer in vielen erschwerten Nachsuchen unter Beweis gestellt haben.

Alles andere führt nur zu noch mehr Elend statt zum ersehnten Ziel. Auch erfahrene Gespanne sollten sich die Zeit nehmen und sich mit dieser Thematik auseinander setzen ehe sie sich auf die Suche nach Jungtieren begeben. Anders als bei Nachsuchen auf kranke oder verletzte Tiere hat man während einer Rückwärtssuche keine Bestätigung durch gängige Pirschzeichen wie Schweiß, Risshaare oder ähnliches. Höchstens können sehr erfahrene Nachsuchenführer etwaige Trittsiegel zuordnen die der Hund anzeigt.  Das höchste Gebot bei der Rückwärtssuche jedoch heißt: der Hundeführer muss seinem Hund blind vertrauen. Und dies tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes.

Auch muss man sich darauf einstellen, dass es eine stundenlange und aufreibende Suche werden kann. Dies ist immer davon abhängig zu welchem Zeitpunkt, in welcher Entfernung und auf welchem Weg (zum Jungtier hin / oder vom Jungtier weg) das Muttertier sich befunden hat. Dies ist einer meiner Hauptgründe, warum ich immer mit beiden meiner Hunde starte. So kann bei Bedarf und Situationsabhängig ohne Unterbrechung und Zeitverzögerung der Hund ausgetauscht werden. Man muss immer im Hinterkopf haben: oftmals sind die Jungtiere unter Umständen seit vielen Stunden alleine => hungerndes Jungtier, zusätzliche Gefahr durch Fressfeinde).


Was gilt es zu beachten

Jede Sekunde zählt. Und zwar wörtlich genommen. Je mehr Zeit zwischen Unfall und Einsatz liegt, desto schwieriger wird es für den Hund. Und die Gefahr für das Jungtier steigt.

Am Unfallort steht Eigensicherung an höchster Stelle. Das Gespann muss am Unfallort ohne Gefahr und ohne Hektik ansetzen können. Vor dem ansetzen der Hunde muss das tödlich verunfallte Muttertier nach Möglichkeit so vom Unfallort entfernt werden, dass kein zusätzlicher Schweiß mehr auf der Fläche verteilt wird oder durch die Spur zwischen Aufprallort und Stück zu laufen.

Ist offensichtlich kein Schweiß vorhanden oder nicht mehr sichtbar und auch nicht offensichtlich erkennbar wo genau das Fahrzeug das Muttertier erfasst hat, so werden die Hunde an dem Punkt angesetzt wo das Stück zum liegen gekommen ist. Hierzu ist es zur Eigensicherung absolut wichtig, dass die Straße für wenige Minuten gesperrt wird.

Während  der Suche sollte ein Begleitfahrzeug möglichst parallel zum Gespann "mitfahren" und über Funk miteinander in ständiger Verbindung stehen. Für die Hunde muss ausreichend Wasser mitgeführt werden. Für die zu sichernden Jungtiere werden ggf. Kescher und passende Boxen benötigt. Unter Umständen wird auch ein langer Weidezaun benötigt um ein schon mobiles Kitz mittels Zäunung sichern zu können.

Im Vorfeld einer Rückwärtssuche gilt abzuklären, ob und wem der Pächter das Eigentum am Kitz übergibt. Biestmilch, Milchpulver und Wärmelampe müssen bereitstehen. Oftmals haben die Jungtiere keine Kraftreserven mehr so dass bereits eine Erstversorgung unmittelbar beim Kitz stattfinden muss. Handwarmer Kamillentee zum Anrühren der Biestmilch inkl. Saugflasche für das Jungtier müssen in einem Rucksack unmittelbar mitgeführt werden. Unmittelbar nach der Sicherung des Jungtieres und der Notfall-Erstversorgung muss das Jungtier weiter fachkundig versorgt werden.

In dem Zeitraum wo man davon ausgehen muss, dass die Jungtiere bereits mobil sind / werden, hat sich der zusätzliche Einsatz einer Drohne bewährt, der aus der Luft die Rückwärtssuche begleitet und via Funk dem Hundeführer übermittelt wenn vor dem Hund ein Jungtier hochgeht und vor dem Gespann herzieht. In so einem Fall wird die Rückwärtssuche sofort unterbrochen und es muss ein Weidezaun zum Einsatz kommen. Mit dieser Maßnahme wird ein langes und unnötiges Folgen des Jungtieres vermieden.

Erweiterung der Rückwärtssuche

 

Die Rückwärtssuche ist ein praktikables und bewärtes Spezialmittel die nicht nur bei Verkehrsunfällen angewendet werden kann sondern auch bei einem Riss. Die Erschwernis von der Hetzfährte mit höchstem Adrenalinausschuss rückwärts auf die Gesundfährte des Muttertieres zu wechseln ist unbestritten die absolute Königsdisziplin des Gespannes. Leider ist die Notwendigkeit in diesem Bereich nicht von der Hand zu weisen, die Zahl der Risse durch Hunde ist in den letzten Jahren kontinuierlich um ein Vielfaches angestiegen.


Sie haben weitere Fragen oder möchten mehr erfahren?

 

Seit nun mehr als zwei Jahrzehnten betreiben wir mit unseren Drahthaaren von der Hardhöhe die Rückwärtssuche sehr erfolgreich. Viele viele hundert Jungtiere konnten wir mit unserer Arbeit vor dem Hunger- oder Fresstod sichern. Diese Arbeit muss für uns alle den absolut gleichen Stellenwert wie jede andere übliche Nachsuche auch haben.

Gerne geben wir unser Wissen an interessierte Nachsuchenführer und Revierpächter weiter. Schreiben Sie uns